Mittwoch, 27.03.19 - Von Kathmandu nach Pokhara

Lange vor dem Wecker kann ich schon nicht mehr schlafen und erwache noch vor Sonnenaufgang. Ich betrete den Balkon unseres Hotels. Die Stadt ist erstaunlich ruhig, fast anmutig liegt dieser schlafende Riese zu meinen Füßen.

Nach einem ausgiebigen und viel zu üppigen Frühstück brechen wir zu einer achtstündigen Fahrt im Jeep zum 200 km entfernt gelegenen Pokhara auf. Dabei sind Nima, unser Guide, der uns die nächsten Tage führen wird, der Chauffeur, dessen Name ich mir leider nicht merken konnte und unser Träger Milan, ein 28-jähriger durchtrainiert wirkender Nepali, der leider nur wenig Englisch spricht.

Die Fahrt führt uns zunächst über eine Stunde mal schneller, mal im Schritttempo aus dieser unendlich riesig wirkenden Stadt, auf Pisten, die häufig den Begriff Straße nicht verdient haben: Mal sind große Pfützen zu umfahren, ein anders Mal tun sich kleine Krater auf. Vorbei geht es an allerlei Geschäften, Werkstätten und Wohnstätten. Hühner leben hier ebenso wie Kühe und einige Hunde, die sich neben der Straße im Staub ausruhen. Da wird Wäsche gewaschen, Hühner werden geschlachtet, andere Menschen sehen wir fast teilnahmslos auf dem Boden hocken. Überall sind Menschen, es ist bunt und vielfältig! Der Gestank der vorausfahrenden alten Dieselmotoren macht das Atmen unangenehm und mischt sich mit den typischen Gerüchen des Landes.

Das Bild der unendlichen Karawane von bunten LKW, die sich die gebirgige Straße raufquälen oder quietschend hinuntertuckern ist faszinierend: Üppig geschmückt mit Fähnchen und Gierlanden, Aufklebern und religiösen Symbolen scheinen hier kleine Tempel zu fahren. Dabei sind sie das Rückgrat des Lebens in Kathmandu: Es gibt keine Bahnverbindung, also hängt die komplette Versorgung aus den fruchtbaren Gebieten Nepals und der Nachschub aus Indien von diesen rollenden Tempeln ab.

Die ständigen, manchmal gar lustigen Hupkonzerte sind schnell eine angenehme Hintergrundmusik zum aufdringlichen unübersehbaren erschreckenden Gesamteindruck: Es gibt kaum einen Quadratmeter rechts oder links der Straße der nicht zugemüllt und dreckig wirkt! Überall liegt Plastik und Müll.

(Exkurs: Es stimmt mich traurig: Wo immer ich bisher unterwegs war, ob in Deutschland, Spanien oder den USA - ist es Gleichgültigkeit oder Ignoranz, Ausdruck der Verzweiflung, Unwissenheit oder schlichte Überforderung - es bleibt mir schleierhaft, aber meine Enttäuschung über die Unfähigkeit der Gattung Mensch, ihre Lebensgrundlage, diesen wunderschönen Planeten Erde zu respektieren und ihm Achtung entgegenzubringen ist groß. Hier sind es die Nepali, die am vermeintlichen „Wohlstand“ der westlichen Welt teilhaben wollen.... 

Wir in Europa verbrauchen sicher die 10fache Menge CO2 (meine Reise dürfte aus dieser Sicht konsquenter Weise gar nicht stattfinden!) und zerstören unsere Felder mit Glyphosat und damit das gesamte Ökosystem... 

Die Konzerne, die ihre Waren hier verkaufen kümmern sich auch bei uns bekanntlich nicht um Recycling, eine echte Kreislaufwirtschaft, ausreichende Bildung, Naturschutz usw. Es wird Zeit für eine Postwachstumsgesellschaft...)


Je weiter wir nach Pokhara kommen, wird es ein wenig aber nicht grundlegend besser. Immerhin sehen wir Reisfelder und Frauen, die Reis pflanzen sowie Männer, die mit Ochsen die Felder pflügen - offensichtlich intakte Landwirtschaft.

Nach acht Stunden Fahrt und zwei Pausen, eine davon in dem alten, gut erhaltenen Bergdörfchen Bandipur, das an einer alten Handelsroute liegt, erreichen wir Pokhara, eine vergleichsweise saubere Kleinstadt. Sie ist Ausgangspunkt vieler Trekkingtouristen, was der Stadt sichtlich gut tut und einen gewissen Wohlstand vermittelt.

Wir schlendern, nachdem wir uns im Hotelzimmer etwas von der anstrengenden Fahrt ausgeruht haben, durch einen kleinen Park am Rande des Pewa-Sees. Dort wird gejoggt, eine Gruppe von Jungs übt sich im Baseball-Spiel, eine andere übt sich im HipHop. Etwas weiter am Seeufer bestaunen wir eine Hinduzeremonie: Einige orange gekleidete Männer singen über eine viel zu laut und übersteuert eingestellte Anlage religiöse Lieder und führen zeremonielle Handlungen aus, währenddessen legen scheinbar selbstverständlich an gleicher Stelle Boote an und ab. Ein LKW kippt wenige Meter entfernt einen Haufen Stein unter großem Getöse an den Strand. Ich muss in meiner westlichen Verfasstheit grinsen - hier beeindruckt das aber offensichtlich niemanden...

Entlang einer touristischen Einkaufsstraße, die wie in Kathmandu westlichen Einfluss widerspiegelt, schlendern wir in der Dämmerung zurück zum Hotel. Dabei werden wir von einem kleinen Jungen abgelenkt, der um etwas Geld bettelt. Nachdem wir in Kathmandu von Pema, der guten Seele des Hotels und sehr engagierten Frau, nochmals entschieden darauf hingewiesen wurden in solchen Situationen hart zu bleiben, um besser Kinder in Waisenhäusern oder andere Projekte zu unterstützen, bleibe ich diesmal stur, was mir nicht leicht fällt. Und der Gesichtsausdruck des Jungen bleibt fest in meiner Erinnerung haften...


Da wir auf das Abendessen figurbedingt verzichten, futtere ich im Hotel angekommen erstmal zum Trost eine Tafel Schokolade.

Während Lea sich mit einem guten Buch ins Bett legt, verbringe ich noch bis tief in die Nacht in der Hotellobby um die bisher geschriebenen Texte endlich auf meinen Blog hochzuladen... meine Bemühungen bleiben aber leider erfolglos.

Lange nach Mitternacht erliege ich der Müdigkeit und gehe auch schlafen.

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